Public history

Vom Heldenkult zur Skandalbewältigung : Überlegungen zur akademischen Erinnerungskultur der RWTH Aachen

Der Beitrag geht von der These aus, dass die akademischen Ehrungen der RWTH Aachen sowie die offiziellen Würdigungen herausragender Persönlichkeiten institutionalisierte Formen der Selbstdarstellung und -verortung darstellen. Das heißt, in ihnen spiegelt sich das (Selbst-)Verständnis der eigenen Geschichte wider. Zugleich geben sie Auskunft darüber, welches Bild von Wissenschaft und Technik der Öffentlichkeit durch die Hervorhebung bestimmter Wissenschaftler, Politiker oder Industrieller vermittelt wurde. Mit Blick auf die NS-Geschichte der Aachener Hochschule ist ferner danach zu fragen, inwiefern die verschiedenen Würdigungen und insbesondere die Auswahl der zu Ehrenden für bestimmte Formen und Phasen des Gedenkens und Erinnerns stehen. Diese Phasen des kollektiven Erinnerns können – mit Norbert Frei u. a. – auch als generationelle Erfahrungsgemeinschaften verstanden werden.
Die inzwischen recht zahlreichen Studien zur akademischen Vergangenheitspolitik fokussieren weitgehend die ersten beiden Jahrzehnte nach 1945, während darüber hinausweisende Untersuchungen weitgehend fehlen. Unsere Studie soll daher die Gedenkkultur der RWTH Aachen bis heute behandeln.
Die ersten Nachkriegsjahre waren geprägt von einer kollektiven Umdeutung der Hochschulgeschichte zwischen 1933 und 1945. Die damit verbundenen semantischen Umbauten führten zur Produktion zahlreicher akademischer Helden, die dem NS-Regime widerstanden hatten. Der Zeit der großen Meistererzählung über die unpolitischen Ingenieurwissenschaften folgte eine Phase der zunehmenden Sensibilisierung für die Opfer des Nationalsozialismus. Hierfür steht beispielhaft die späte Würdigung der vertriebenen jüdischen Professoren in der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der RWTH Aachen im Jahre 1995. Mit dem im Jubiläumsjahr ausgelösten Skandal um die Doppelidentität des Germanistikprofessors und ehemaligen Rektors Hans Ernst Schneider, alias Hans Schwerte, rückten mit einem Schlag erstmals die NS-Täter als solche in den Vordergrund – nur um gleich wieder im Schatten des Antihelden Schneider/Schwerte zu verblassen. In der Folge unterblieb eine kritische Reflexion über die offizielle Erinnerungskultur der Hochschule: Vielmehr glaubte man, an das Ende der (NS-)Geschichte gelangt zu sein.

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