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Von Motorkonzerten und aristokratischer Stille : die Einführung der geschlossenen Automobilkarosserie in Frankreich und Deutschland, 1919–1939

Die rasche Verbreitung der geschlossenen Automobilkarosserie stellt in der Technik- und Kulturgeschichte des Automobils eine tiefgreifende Zäsur dar. Noch zu Beginn der 1920er Jahre dominierte der offene Wagen die Automobilmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks, wurde aber innerhalb einer halben Dekade fast vollständig von der geschlossenen Karosserie verdrängt. Den Beginn machten um 1925 die Vereinigten Staaten von Amerika, die europäischen Automobilnationen folgten wenige Jahre später. Die Einführung der geschlossenen (Ganzstahl-)Karosserie war zunächst ein zentraler Eckstein der automobilen Massenherstellung, darüber hinaus veränderte sie aber auch die sinnliche, insbesondere die akustische Erfahrung des einfachen Automobilisten. (Lauf-)Ruhe wurde zu einem wichtigen neuen Qualitätsmerkmal und Automobilingenieure versuchten dementsprechend, das Automobil akustisch zu zähmen. Laute Geräusche wurden nun im automobiltechnischen Diskurs als mechanische Ineffizienz, als Kraftvergeudung, interpretiert. Damit wurde der geräuschlose Gang des Motors zum erstrebenswerten Ziel an sich. Auch die Karosserie wurde durch verbesserte Federung und Schallisolierung konstruktiv beruhigt. Die neue Stille im geschlossenen Innenraum erhielt insbesondere in der Werbung die Zuschreibung von Luxus und Vornehmheit – das leise Automobil wurde so zum bürgerlichen Distinktionsmittel. Der Vortrag zeichnet die Einführung der geschlossenen Karosserie in Frankreich und Deutschland und den damit verbundenen (sensorischen) Wandel der Fahrerfahrung nach.

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