Das Ersatzteil zwischen Technik, Wirtschaft und Politik
Während es in der technikhistorischen Forschung lange Zeit um das Nachvollziehen von Innovationsprozessen ging, blickt das Feld seit einiger Zeit auch auf die weiteren temporalen Phasen der Dinge selbst. Ausgehend von einer Kritik an dem Innovationsfokus vieler Fachstudien geht es mir, wie anderen, darum zu verstehen, was passiert nach dem ein Produkt entwickelt, vermarktet und verkauft wurde. Aus dieser prozessualen Perspektive ist ein Gerät weitgehend unproblematisch zu verstehen, so lange es funktioniert wie gedacht. Spannend wird es, dem Blackbox-Gedanken folgend, wenn es nicht mehr so funktioniert wie es soll. Dies kann viele Gründe haben. Die zwei bedeutendsten sind, dass einerseits eine oder mehrere Komponenten des Systems defekt sind, oder dass sich andererseits die Erwartungen oder Fähigkeiten der Nutzer*innen verändert haben.
Beiden Problemfeldern gilt es in meiner eigenen Forschung zum vermeintlichen Verschwinden des Reparierens im Zeitalter des Massenkonsums nachzugehen. Neben den wissenstheoretischen Aspekten des Reparierens ist es das Ersatzteil, welches oftmals über eine gelungene Reparatur entscheidet. Spätestens mit der voranschreitenden Rationalisierung und Massenproduktion hat sich das Reparieren vieler Gegenstände fundamental verändert. Was zuvor noch mit je individuellem Einsatz von Wissen und Können zerlegt, repariert und zusammengefügt werden musste, wurde nun nach und nach durch den Austausch kompletter (und komplexer) Ersatzteile abgelöst. Während der Versuch der Rationalisierung mit seinen eigenen, besonders ökonomischen Vorteilen daherkommt, bricht dieses System schnell zusammen, sobald der Zugang zu ebensolchen Ersatzteilen stockt oder gar komplett zusammenbricht.
Im Rahmen des Vortrags werde ich die Verfügbarkeit von Ersatzteilen während und nach dem zweiten Weltkrieg aus Luxemburger Perspektive untersuchen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme des internationalen Handels und Konsums in der Zwischenkriegszeit soll insbesondere aufgezeigt werden, welche Auswirkungen die jahrelange Ausrichtung der Industrie auf Rüstung sowie der Wegfall ehemaliger Handelspartner auf den Alltag des Luxemburger Handwerks hatten. Welche Waren durften wann von wem bezogen werden? Was geschah als man feststellen musste, dass der ehemalige Besatzer der Einzige war, der bestimmte Ersatzteile liefern konnte?
Ohne die Antworten vorwegzunehmen, bedurfte es eines schwierigen Aushandlungsprozesses innerhalb der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion (UEBL), um den Nuancen der Problematik Rechnung zu tragen. Wie ich zeigen werde, konnte das Problem zudem nicht einfach von oben herab wegdekliniert werden, vielmehr ist es wichtig zu betrachten, wie das luxemburgische Handwerk selbst reagierte und wie sich die (versprochene) Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Serviceleistungen oder der zunehmenden Wartungsarmut von Neugeräten auf den Konsum und das Reparieren in den kommenden Jahren auswirken sollten.
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