Das Schuhmacherhandwerk hat sich in Luxemburg in seiner Art und Verbreitung historisch stark verän-dert. Während der Beruf bis ins späte 19. Jahrhundert hinein vor allem ein produzierendes Handwerk war, wurde er mit der immer weiter um sich greifenden Industrialisierung der Schuhproduktion mehr und mehr zu einem Reparaturhandwerk. In dieser neuen Rolle als „middle ground“ zwischen Massen-produktion und -konsum waren die Schuhmacher im Laufe des 20. Jahrhunderts gezwungen, sich an die neuen gesellschaftlichen wie ökonomischen Verhältnisse anzupassen.
Quantitativ lässt sich dieser Prozess mit einem Blick auf den zurückgehenden Umsatz sowie den Verlust von Betrieben verdeutlichen, wie sie durch die Zahlen der nationalen Statistikbehörde sowie der Hand-werkskammer vorliegen. Der Umsatz im Handwerk ging zwischen 1950 und 1970 von knapp 70 auf 52 Millionen Franken zurück. Auch wenn hier nicht zwischen produzierendem und reparierendem Hand-werk unterschieden wird, steht dieser Rückgang doch im starken Kontrast zum Verkauf von industriell hergestellten Schuhen, der im gleichen Zeitraum von 234 auf 380 Millionen Franken anstieg. Dieser Verlust spiegelte sich auch in der sinkenden Anzahl der Betriebe wider: 1939 gab es noch 628 Schuh-macher in Luxemburg, 1988 waren es nur noch 53.
Für diesen Rückgang lassen sich diverse Gründe benennen: etwa die zunehmende Konkurrenz zwischen Handwerk und Industrie. Während die ersten drei Schuhfabriken zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Lu-xemburg öffneten, wurden 13 weitere zwischen 1917 und 1951 gegründet. Neben der Einfuhr von Schu-hen aus dem Ausland, machten diese Fabriken dem Schuhmacherhandwerk verschärfte Konkurrenz. Dies ist nicht nur auf die höhere Produktion und niedrigere Preise zurückzuführen, sondern auch auf den sich verschärfenden Wettbewerb um Nachwuchs sowie die Verwendung neuer Materialien und Verfahren. So wurde ab den 1950er Jahren die Gummisohle alltagstauglich. Im Gegensatz zur Leder-sohle, die bis dahin den Alltag des Schuhmachers bestimmte, kam diese mit einer um ein Vielfaches höheren „Lebensdauer“ daher und war, durch die Verwendung von Klebstoffen statt Nägeln schwerer und teurer zu reparieren. Um dem Problem des Verschwindens der kleinen Betriebe entgegenzuwirken, gab es einige Vorschläge von der Fédération des Artisans. Neben den für alle Handwerkszweige gefor-derten Rationalisierungsmaßnahmen wurde dem Schuhmachergewerbe vor allem empfohlen sich auf orthopädische Arbeiten zu spezialisieren. Die Schuhmacher sollten also Produzenten bleiben, wobei aber auch dieser Gewerbezweig auf sehr niedrigem Niveau stagnierte.
Der Vortrag wird die hier kurz skizzierten Entwicklungen des Schuhmacherhandwerks in Luxemburg nachzeichnen und Gründe für das Verschwinden von rund 90% der Schuhmacherbetriebe diskutieren. Dabei soll deutlich werden, dass der „Abstieg“ des Handwerks vom Produzenten zum Reparateur nicht linear verlief, sondern sich das Gewerbe immer wieder neu zu erfinden suchte.
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